Der Wunsch, einen Menschen strukturiert einschätzen zu können, ist schon aus der Antike überliefert. Da gab es die Temperamentenlehre die von vier Typen ausging: dem Sanguiniker, dem Phlegmatiker, dem Choleriker und dem Melancholiker. Die Beschreibung leitete sich von der Annahme her, dass bestimmte Körpersäfte wie Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle besonders stark in dem Menschen aktiv waren. So entwickelte man auf den Typen zugeschnittene Behandlungsverfahren und legte dem Choleriker z.B. Blutegel an, um die schwarze Galle, die zu Bluthochdruck führen sollte, abzuleiten.
Wer jemals einen Choleriker als Chef hatte, wußte, das ihm die Ader schnell schwillt und richte seine Verhaltensweisen unbewusst darauf aus. Wenn man weiß, wie er tickt, fühlt man sicherer im Umgang mit ihm.
Und Sicherheit ist auch einer der Gründe, warum standardisierte Persönlichkeitstest z.B. im Recruiting, aber auch in der Teamentwicklung so gefragt sind.
Sind Test die moderne Form des Orakelns?
Manche meinen ja, diese Tests würden nur orakeln, ein Vergleich, der bei der Ungenauigkeit einiger Verfahren durchaus auch naheliegend ist. Viele Persönlichkeitsinstrumente, wie sie auch genannt werden, sind mittlerweile testtheoretisch überprüft und schaffen, durch die Qualität der Fragen, ein realitätsnahes Bild der Persönlichkeit wiederzugeben. Die daraus entstehenden Erkenntnisse unterstützen daher im Arbeitsumfeld bei der Einstellung von neuem Personal. Sie helfen durch besseren Verständnis des einzelnen Typen Teams und allen Beziehungen richtig gut.
Mein erstes Mal – der MBTI
Meine erste nachhaltig positive Erfahrung hatte ich mit dem MBTI – der von 2 Frauen entwickelte Myers-Briggs-Type Indicator (MBTI)
Sie definierten 4 unterschiedliche Präferenzen mit 2 Polen, aus denen heraus 16 Typen identifizierbar sind.
Bist du Intro- oder Extrovertiert?
Die erste Facette innerhalb des MBTI ist, ob jemand eher intro– oder extrovertiert ist. Ein Introvertierter baut seine Kraft aus dem Alleinsein mit sich auf, ein Extrovertierter aus dem Kontakt mit anderen, so die Definition.
Die Entwicklerinnen des MBTI gehen davon aus, dass man beide Pole zur Verfügung hat, und leben könnte. Sie sehen sie als Vorlieben, so wie man z.B. ein Bein lieber über das andere schlägt als das andere oder morgens die Zähne auf der selben Seite zu putzen anfängt.
Dieser Vorliebe folgen zu können macht das Leben leichter und verbraucht weniger Kraft. Weshalb der Gedanke hinter dem MBTI ist, seine Präferenzen zu kennen und im Alltag stärker zu berücksichtigen und die Vorteile daraus privat und beruflich zu nutzen.
Der Introvertierte, der die Goldberg Variationen liebte
Von dem großartigen Pianisten Glenn Gould, der als extrem introvertiert galt, gibt es den Ausspruch, dass, wenn er eine Stunde mit anderen Menschen verbracht hatte, gern 20 Stunden mit sich allein sein wollte.
Glenn Gould wäre in einem Großraumbüro sicher nicht gut aufgehoben gewesen. Man hätte zusehen können, wie seine Arbeitsleistung allein aufgrund seiner Präferenz zur Introversion, in den Keller gegangen wäre. Er hätte, da er als Introvertierter seine Energie im konstanten Kontakt mit anderen verliert, schneller über Erschöpfung geklagt und sich abends mit Sicherheit nicht mit seinen Freunden noch auf ein Bier getroffen.
Ein Mensch hingegen, der extrovertiert ist, also Energie aus dem Kontakt mit anderen aufbaut, wäre frustriert, auf Dauer Home Office machen zu müssen.
Ich hatte mal einen Kunden, der dies von seiner Firma als Incentive bekommen hatte. Er nahm, nachdem ihm über den MBTI bewusst geworden war, was er als Extrovertierter braucht, um leistungsfähig zu sein, pro Tag lieber 2 Stunden Fahrzeit in Kauf, als zuhause zu versauern. Ihm hätten ZOOM, Skype und co. dann eben auch nicht weitergeholfen.
Siehst du den Wald oder den Baum?
Ich selbst habe nach dem MBTI die Präferenz N. – Menschen mit N (Intuition) haben einen guten Blick für das große Ganze. Das ist in einem Team von Vorteil, wenn man Neues konzipieren muss oder schnell den Überblick braucht. Es hilft mir als Soul & Business Mentorin natürlich auch, Muster und Zusammenhänge bei meinem Kunden zu erkennen und aus diesm Blick heraus Neues zu entwicklen.
Nicht zuletzt habe ich deshalb einen Award für nachhaltige Unternehmensentwicklung bekommen, weil ich diesen N-Blick mit Weitsicht habe.
Mir fällt meine Präferenz für N auf die Füße, wenn ich sehr detailgetreu sein muss. Das strengt mich echt an. Mir fallen z.B. Rechtschreibfehler nicht so schnell auf, ganz im Gegensatz zu Menschen, die S (Sensorik) als Fokus haben, also mehr den Baum sehen. Menschen mit S-Präferenz werden Controller oder sind in Berufen zu finden, die Genauigkeit im Kleinen erfordern.
Der MBTI rettete meine Liebe
Am Anfang meiner Beziehung war der MBTI eine Rettung für uns als Paar, weil wir sehr schnell merkten, wie ich als „N“ dachte und Dinge beschrieb, ein „S“ verloren war. So beschrieb ich z.B. Wege assoziativ, während meine Liebe mit S-Präferenz konkrete Straßennamen und Nummern brauchte.
Sie ging mir mit ihrer S-Präferenz am Anfang auf den Geist, weil ich mich schnell kritisiert fühlte, wenn ich auf ein Detail hingewiesen wurde.
Die gegenseitige Wahrnehmungspräferenz zu kennen, beugt ungemein Missverständnissen und Konflikten vor.
So lernte ich, Worte zu finden, die Dinge genauer beschrieben und kam so dem „S“ entgegen, während sie mein „N“ mehr verstand und lieben lernen konnte, insbesondere, wenn ich Geschichten erzählte.
Ich ging bei der Arbeit einfach an den Strand
Hier noch ein Beispiel, wo diese beiden Präferenzen N und S, wenn sie Hand in Hand gehen, sehr konstruktiv sein können.
Ich hatte ein Kollegin, Gaby. Wir beide waren Psychologinnen in einer onkologischen Klinik. Als wir aufgefordert wurden, neue Konzepte zu kreieren, fing meine Kollegin, mit S-Präferenz, an, vor Stress symbolisch an den Fingernägeln zu kauen.
Ich sagte damals:„Lass mich nur.“, ging an den Strand, genoss die Sonne, schwamm eine Runde im Meer und kam mit einem neuen Konzept im Kopf wieder, um es ihr vorzustellen.
Danach fing ich an, an den Fingernägeln zu kauen, weil man das Konzept in Arbeitspapiere gießen musste, was Detailtreue erforderte.
Da sagte Gaby:„Lass mich nur.“ und fing an, wunderbare Arbeitspapiere für uns zu erstellen. Gaby und ich, wir waren ein super Team, weil wir unsere Unterschiedlichkeit z.B. bei N und S zur Synergie nutzten, statt uns zu bekämpfen oder in Kränkungen abzutauchen.
Der Grund, warum ich Science Fiction liebe
Wusstest du, das neueste Erkenntnisse und Diskussionen aus der Wissenschaft, und damit auch aus der Psychologie, in Science Fiction Filmen eingebaut werden? Fun fact ist, dass der MBTI , als er als Typologie entwickelt wurde, bei den Charakteren im Raumschiff Enterprise, umgesetzt wurde.
Der dritte Aspekt des MBTI ist die sogenannte Entscheidungsfunktion. T (thinking) oder F (feeling), die beschreiben, ob jemand eher aus logischen Denken oder aus dem Bauch(gefühl) heraus entscheidet, wenn es hart auf hart kommt.
Die ist bei Raumschiff Enterprise super in den Charakteren Spock und Captain Kirk umgesetzt worden.
Spock, der immer aus der Logik heraus argumentierte, wenn es um die Strategie bei der nächsten Herausforderung ging, und Kirk, der dem zwar zustimmte, aber in der akuten Situation immer intuitiv aus dem Bauch (F) heraus und damit anders als vereinbart handelte.
Ein solches Verhalten kann im Arbeitsleben zu heftigen (Team-)Konflikten führen, wenn Vereinbarungen von einem F-Typ spontan umgeworfen werden oder der T-Typ es so gar nicht logisch findet und die Augen verdreht.
Ist man sich nicht bewusst und bereit zu akzeptieren, wie der jeweils andere tickt, führt das zu einem Gefühl von Unsicherheit und geringer Wertschätzung – ein Pulverfass für Teams.
Was dir der Aufbau eines Ikea Möbels zeigt
Hand aufs Herz. Wie baust du ein Ikea Möbel auf? Fängst du einfach an, und wunderst dich am Ende, dass da noch ein Brett über ist, das ganz am Anfang hätte eingebaut werden müssen? Oder liest du erst die ganze Anleitung durch und fängst dann erst an, Schritt für Schritt das Möbel aufzubauen?
Die vierte Facette des MBTI ist J – Judging und P – Perceiving. Ich übersetzte es lieber mit strukturiert-organisiert und kreativ-chaotisch.
Beim Ikeamöbel habe ich, mit P-Präferenz, gelernt, mehr J zu sein, weil ich mir damit viel Arbeit erspare. Aber es macht mir deutlich weniger Spaß, als einfach loszulegen.
Aber ich bin und werde voraussichtlich auch nicht der Projektmanager, die der Milestones festlegt und systematisch verfolgt. Ich bin in agilen Arbeitssituationen mit hoher Komplexität sehr erfolgreich, wo eine gewisse Kreativität erfordert ist. Je strukturierter es ist, desto gelangweilter bin ich und desto schlechter wird meine Performance. Ich beziehe einfach zu wenig Energie aus J. Jemand, der diese Präferenz hat, liebt Prozesse und wird beschwingt in den Feierabend gehen. Und seltener am Ende noch eine übrige Schraube beim Aufbau eines Ikea-Schrankes finden.
Auch wenn immer wieder diskutiert wird, wie wissenschaftlich der MBTI und seine Nachfolger wie der Golden Profiler oder 16 Personalities Test ist, er gibt doch eine erste Orientierung, woraus Menschen Energie beziehen und was sie erschöpft.
Wir sind 16 😉
Aus den 8 Präferenzen, I (introvertiert), E (extrovertiert), N (intuitiv), S (sensorisch), F (feeling), T (thinking), J (judging) und P (Perceiving) setzen sich 16 unterschiedliche Kombinationen zusammen, aus denen bestimmte Verhaltnspräferenzen ablesbar sind.
Ich bin eine Visionärin. Laut dem MBTI bin ich mit der Kombination ENFP – A eine Aktivistin und habe damit etwas mit Will Smith oder Ellen de Generes gemeinsam. Ich habe den Test schon vor Jahren gemacht und habe eine prozentuale Verschiebungen an mir wahrgenommen. Ich bin deutlich mehr zu J (oder planend, wie es auf der Abbildung heißt) hingewandert – mein Business hat mich da geschult
Erkenne dich selbst
Das stand schon über die Tor des Orakel von Delphi. Nicht nur FB nutzt die Neugier von Menschen auf sich selbst mit Tests, die mir sagen, ob ich nun ein Einhorn bin oder welchen Archtypen ich verkörpere. 😉
Man hat den MBTI, bevor es differenzierte Tests, wie z.B. das von mir bevorzugt eingesetzte integrale Motivations-Profil von Profile Dynamics, am Markt gab, den MBTI durchaus zur Personalauswahl eingesetzt.
Es ist aus meiner Sicht immer sinnvoll, mehr über sich zu wissen, weil es die emotionale Intelligenz und damit die Resilienz eines Menschen steigert.
Vielleicht hast du ja auch Lust, dich ein wenig mehr zu erkennen. Spaß macht es auf jeden Fall.
Keine Kommentare