Das ist mir zu esoterisch, höre ich Menschen immer wieder sagen. Und damit ist die Sache, um die es geht, eigentlich schon abqualifiziert und raus. Esoterik gilt als merkwürdig, geheimnisvoll und schwer durchschaubar. Esoterik ist oft gepaart mit einer Prise dunklem Schaudern. Schnell sind bei den Menschen die Bilder von Ritualen und Blutopfern im Kopf, die in dubiosen Geheimbünden von in Kutten gekleideten Männern durchgeführt werden. Esoterik wird dann gleich mit Spiritualität in einen Topf geworfen und mit ihr gemeinsam abgelehnt. Denn das, was kognitiv nicht zugänglich und wissenschaftlich nicht erforscht und vor allem nicht bewiesen ist, gilt als nicht existent.
Esoterik ist ein Think-Tank
Esoterik (altgr. dem inneren Bereich zugehörig) ist ursprünglich einfach nur eine philosophische Lehre gewesen, die nur einem kleinen Kreis von Menschen zugänglich gemacht wurde. Das Bestreben der Menschen in den Treffen war, die Welt und die menschliche Existenz zu ergründen und zu verstehen. Was sie vereinte, war der tiefe Wunsch nach Erkenntnis.
Psychologisch betrachtet schafft Erkenntnis und Wissen inneren Sicherheit. Aus dieser Stabilität heraus, die wie ein Anker in der Welt sein kann, entsteht eine klare Orientierung für das eigene Handeln. Oft führt sie auch zu Demut und Dankbarkeit dem Leben gegenüber.
Im esoterischen Denken ging man davon aus, dass, wie bei einem Farn, alles in allem enthalten ist und man daher auch alles durch Betrachtung der kleinsten Teile erforschen kann.
Ein Farn lehrt dich die Welt
Hast du dir jemals einen Farn näher betrachtet? Es ist schon faszinierend, wie sich das Größere aus kleinen Teilen zusammensetzt, die genauso aussehen wie das Große.

Vom Kleinen zum Großen
Um das Wissen über die Welt zu vertiefen, wird das einer der Gründe gewesen sein, warum im Laufe der Zeit auch die Astrologie, die Alchemie und die Kabbala zum Erkenntnisgewinn mit hinzugezogen wurde.
Ein Meilenstein, der bis in unsere Zeit hinein Auswirkungen hat, war die Gründung der einflussreichen Theosophischen Gesellschaft 1875, von dessen Ideen auch Aleister Crowley inspiriert gewesen sein soll. Viele andere Vereinigungen haben sich, von dem Gedankengut der Theosophen angeregt, später gegründet. Bekannt sind z. B. die Freimauer, Rosenkreuzler und Anthroposophen.
Heute würde man eine esoterische Gruppe mit einem Think-Tank vergleichen können. Man sammelt und teilt Wissen und schafft Synergien. Man ist bestrebt, aus den gewonnenen Erkenntnissen heraus nachhaltige Lösungen für die Welt zu finden.
Ich denke, es wird natürlich auch um gesellschaftlichen Einfluss gegangen sein, denn „geheimes“ Wissen wurde schon immer genutzt, um Menschen und Situationen steuern zu können. Macht ist ein Schwert, das man mit einer gewissen Ethik führen sollte, wenn es nicht zerstörend wirken soll.
Darf ein Pastor ein Freimaurer sein?
Wie nah Esoterik und Spiritualität beieinander liegen können, habe ich bei einem evangelischen Pastor erlebt. In dessen Kirchengemeinde habe ich12 Jahre ehrenamtlich gearbeitet und Jugendfreizeiten geplant und durchgeführt. Der Pastor war gleichzeitig Freimaurer gewesen, was sich erst bei seiner Beerdigung zeigte, als seine Brüder ihm die letzte Ehre erwiesen.
Du kannst dir sicher vorstellen, dass das eine sehr spannende und vor allem kontroverse Diskussion auslöste. Darf ein spiritueller Mensch, der lutherischer Pastor war, gleichzeitig Mitglied in einer Loge sein, die im Umfeld der Theosophischen Gesellschaft entstanden war.
Manche Menschen fühlten sich dadurch betrogen, weil sie dachten, er hätte als Lutheraner nicht mehr die reine Lehre gepredigt. Andere meinten, man müsse ihn an seinen Taten messen, und die seien immer so gewesen, dass er positive Dinge für seine Gemeinde bewirken wollte.
Spiritualität ist die Erfahrung des All-Eins-Seins
Was ist denn überhaupt Spiritualität?
Spiritualität (lt. Spiritus: Geist, Hauch) ist einfach nur die Suche eines Menschen nach Sinn und dem Heiligen im Leben. Spiritualität ist kognitiv, also vom Denken her, nicht greifbar, sondern nur erfahrbar. Sie ist nicht an eine Gruppe, Gemeinschaft oder Religion gebunden. Spiritualität ist die Erfahrung von Transzendenz, die sehr persönlich und nicht an Dogmen oder Moral gekoppelt ist. Transzendenz ist das Erleben einer Verbundenheit, die über das Ich oder Ego hinausreicht.
Ein Mensch auf dem Gipfel eines Berges kann eine spirituelle Erfahrung machen, ohne an Gott zu glauben. Du kannst aber auch an die Göttin glauben und gleichzeitig spirituell sein. Eine spirituelle Erfahrung weitet das Herz und erzeugt oft eine tiefe Dankbarkeit für das Leben. Manche beschreiben es auch als Demut.
Aus meiner Sicht umfasst Spiritualität die bewusste Beschäftigung mit den Sinn- und Wertefragen des Lebens, aus dem eine persönliche Ethik entsteht, die das eigene Handeln beeinflusst.
Spiritualität ist, im Du das Ich zu erkennen und ihm wohlwollend zu begegnen. Es ist ein tiefes Gefühl, welches sich in der Liebe zum Anderen, zur Welt und allem, was darin wohnt und mir selbst ausdrückt.
Spiritualität kann helfen, den Sinn für die Übernahme von Verantwortung zu verstärken.
Liebe geht eigentlich immer auch mit dem Wunsch einher, dass es dem, was man liebt, gut gehen möge. Und aus diesem Wunsch heraus entstehen Taten, sei es, dass ich mich um Menschen in meinem Umfeld kümmere, mich für den Tierschutz einsetzte oder den Umweltschutz zu meinem Thema mache.
Spiritualität ist die Erfahrung des All-Eins-Seins, die hilft, die eigenen Perspektiven zurechtzurücken. Diese Erfahrung löst oft Demut und Dankbarkeit aus.
Nada Brahma – Die Welt ist Klang
Einer meiner Erlebnisse des All-Eins-Seins war, nachdem ich aus einer schamanischen Schwitzhütte kam (wie eine Sauna, nur heißer), draußen auf dem Boden lag und in den Sternenhimmel schaute. Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass die ganze Welt aus Klang besteht und jedes Molekül seinen eigenen Ton hat.
Ich war in diesem Moment ich und gleichzeitig aufgelöst und eingebunden in diesem universellen Klang der Welt. Meine transzendente Erfahrung liegt schon über 30 Jahre zurück, aber sie berührt und beglückt mich heute immer noch.
Später entdeckte ich, dass Joachim-Ernst Behrendt in seinem Werk „Nada Brahma – die Welt ist Klang“ beschrieb, was ich erlebt hatte.
Meine transzendente Erfahrung ist einer der Gründe, warum ich so gern mit Menschen in der Natur am Meer arbeite. Der Zugang zum Heiligen, der so heilsam ist, ist hier einfach leichter. Viele erleben hier durch die Weite auch eine Weite im Herzen, die wieder Raum für die Liebe schafft.
Föhr – eine Insel, die Spiritualität atmet
Auf Föhr, wo ich 8 Jahre lebte, bin ich mit den Menschen ins Watt gegangen. Wenn das Meer sich zurückgezogen hat, kann man auf dem Meeresboden, dem Watt, spazieren gehen.
Nicht jeder konnte mit dieser Erfahrung umgehen. Der freie Raum um einen herum gab eine andere Perspektive auf die eigene Größe und das Ego wurde ordentlich durchgeschüttelt. Es bekam Angst, vielleicht nicht so bedeutend zu sein, wie es dachte. Die Kränkung, die darin liegt, ist ja auch nicht leicht auszuhalten.
Gleichzeitig kann das Erlebnis im Watt auch ein Gefühl von Transzendenz und Verbundenheit aufkommen lassen, ein Teil von all dem zu sein, was einen umgibt.

Wattenmeer
Eine spirituelle Erfahrung führt gleichermaßen zu Demut, einem tiefen Gefühl von Verbundenheit und zu Glück.
Das Empfinden, ein Teil dieser wunderbaren und komplexen Welt zu sein, schafft Perspektiven, die tiefer und befriedigender sein können, als die nächste Gehaltserhöhung. Es schafft ein Gefühl von Sinn im Leben, der über einen selbst hinaus geht und, psychologisch betrachtet, ein Stück Unsterblichkeit verheißt.
Spiritualität ist eine überpersönliche Erfahrung, die uns Menschen aus der Enge des Egos herausholt und uns hineinkatapultiert in einen Humanismus, der von Mitgefühl, Güte, liebevoller Zuneigung und Freundlichkeit geprägt ist, wie es mal der Dalai Lama beschrieben hat.
Vielleicht verstehst du jetzt ein wenig mehr, warum ich Integrales Business-Coaching, die Idee des Guten Lebens, Psychologie und moderne Spiritualität in meiner Arbeit verbinde.
Es schenkt das Gefühl von Sinn und macht Menschen glücklich. Und ein glücklicher Mensch ist ein Segen für die Welt.
Ich möchte mich mehr mit den Möglichkeiten, dem Hintergrund und dem grundsätzlichen der Spiritualität beschäftigen
Hallo Kay-Peter, wenn ich dich darin unterstützen kann, lass es mich wissen.
Dann sei und lebe intuitiv.
So schön formuliert und erklärt 💗 ich habe mich auch auf den Weg gemacht und arbeite mit den wunderbaren Wirkkräften der Natur und es ist für mich eine Herzensangelegenheit, diese wieder erfahrbar und spürbar zu machen – Lebensraum in Harmonie mit der Natur 🍀🌳
Hallo liebe Liane, ist es nicht wunderbar, wie viel mehr möglich ist, wenn wir in Verbindung gehen? Daraus erwächst eine lebendige Verantwortung.
Liebe Renate,
dies ist ein toller Beitrag, welchen ich gerne mit anderen teilen werde.
Leider kommen solche Gedanken heutzutage immer weniger ins Gespräch und den Austausch – die Welt digitalisiert sich kaputt.