„Ich will es mit erwachsenen Menschen zu tun haben!“ Das war die Aussage eines Geschäftsführers, der sich entschlossen hatte, jedem seiner Mitarbeitenden Coaching anzubieten. Ich war völlig begeistert von seiner Aussage, weil er etwas aussprach, was ich als sinnvoll und wirtschaftlich klug empfinde. Nicht, dass ich davon ausgehe, dass Menschen in Firmen nicht erwachsen sind. Dennoch beeinflussen häufig die unbewussten Rollenerwartungen der Mitarbeitenden und die daraus resultierende Kommunikation störend den Arbeitsprozess.
Die Firma ist keine gute Mutter
In der Psychodynamik der Mitarbeitenden wird die Firma unbewusst als die „gute Mutter oder der gute Vater“ assoziiert. Damit einhergehend dann auch die Erwartungen, dass die Firma bzw. die Vorgesetzten gut für einen zu sorgen hätten. Die Fürsorge für die eigene Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden wird auf eine Art an sie abgegeben. Wenn Menschen dann in herausfordernden Arbeitssituationen nicht ausreichend selbst dafür sorgen, in Balance zu bleiben, führt das im schlimmsten Fall zu einem Burn-out.
Was ein Ausfall von Mitarbeitenden, der manchmal bis zu einem Jahr dauern kann, an monetären und sozialen Kosten für das Team, für den Betroffenen und die Firma bedeutet, lässt sich schnell nachvollziehen.
Aus meiner Erfahrung aus Konzernen und KMU wird das Team oft überlastet, weil ein Mitarbeitender fehlt und in der Regel nicht schnell für Ersatz gesorgt wird oder werden kann. Der Wissenstransfer stellt sich dann als suboptimal dar. Oft geht Wissen verloren und muss mühsam wieder aufgebaut werden. Die Planungssicherheit für die Firma schwankt bis hin, dass Aufträge nicht entgegengenommen werden können, weil Personal fehlt.
Mitarbeitende verfallen ins Kind-Ich
Darüber hinaus können in selbst flachen Hierarchien und den damit einhergehenden unterschiedlichen Machtverhältnissen Menschen unbewusst vor Vorgesetzten in eine kindliche Rolle verfallen. Damit ist der Dialog auf Augenhöhe zum Scheitern verurteilt.
Freud und später Schultz von Thun haben erkannt, dass es unterschiedliche Selbst-Anteile in uns gibt. Sie nannten sie: Erwachsenen-Ich, Eltern-Ich (Über-Ich) und Kind-Ich (Es) unterteilt sind. Dieses Modell ist in der Literatur als die Transaktionsanalyse nach Berne bekannt. In der Kommunikationsforschung wird es oft als „Spiele der Erwachsenen“ bezeichnet.
Das Kind-Ich kann sehr kreativ sein und bietet damit eine wunderbare Ressource für Unternehmen. Aber wenn dieser Ich-Anteil eher rebellisch und dadurch bockig wird oder in die Anpassung geht, verlieren Firmen viel Innovationskraft und Arbeitsleistung.
Wenn intrapsychisch das Kind-Ich übernimmt, weil z. B. durch mangelnde Wertschätzung oder lang andauernden Stress Kränkungen entstanden sind, kann das zu „Dienst nach Vorschrift“, Absentismus oder endlosen Debatten in der Kaffeeküche führen.
Selbst wenn es zwischen der Vorgesetzten und dem Mitarbeiter zu Feedbackgesprächen kommt, um die Zusammenarbeit zu verbessern, wird dieses oft unterschwellig blockiert.
Aus meinen Leadership-Trainings, in denen es auch um Kommunikation nach der Transaktionsanalyse ging, kenne ich viele Berichte, die dieses Verhalten im Gespräch beschreiben.
Was das betriebswirtschaftlich für einen Schaden bedeutet, kann man sich schnell vorstellen.
Allein deshalb ist es wichtig, Mitarbeitende zu befähigen, selbst, wenn Situationen konflikthaft oder herausfordernd sind, nicht ins Kind-Ich abzurutschen, sondern weiter aus dem Erwachsenen-Ich heraus handeln zu können. So können konstruktive Lösungen gefunden werden, die allen Beteiligten dienen. Eine klassische Win-win-Situation wird hergestellt.
Das Eltern-Ich hat die Wahrheit gepachtet
Auch die Kommunikation auf der Ebene des Eltern-Ichs, welches Struktur und Anpassung an die kulturelle Norm verkörpert, kann anstrengend werden. Menschen, die aus diesem Anteil heraus agieren, kämpfen darum, dass ihre eigene Wahrheit als die einzig Richtige anerkannt wird. Agieren Menschen auf der Ebene, erschwert es oft Neuerungen und die Einführung moderner, z. B. agiler Arbeitsformen, weil dafür eine kooperative Kommunikation nötig ist.
Aus der Instanz des moralisierenden Eltern-Ich heraus wird dann primär danach gesucht, wer Schuldiger und wer Opfer der Situation ist. Oder wer recht hat.
Das Ziel der Kommunikation dient einzig dazu, den Schuldigen zu finden, weil man dann selbst aus dem Schneider ist. Nur ist diese Haltung eine Sackgasse. Sie führt im Arbeitsalltag oft zu langen Ping-Pong-Mails und Rechtfertigungen, weil man, verständlicherweise, die Schuld nicht haben will. Es ist ein Psychospiel, das auf der Seite des Verlierers zu großem Unbehagen und dem Gefühl von Ohnmacht führt.
Ein Klassiker dabei ist: „Ich konnte nicht weiterarbeiten, weil xy nicht rechtzeitig geliefert hat.“
So kann man sich im Eltern-Ich zurücklehnen und warten, bis der andere liefert. Wohin diese Haltung, am Ende keine Verantwortung zu übernehmen, führt, hat jeder sicher in seinem Arbeitsumfeld erlebt.
Gute Lösungen kommen aus dem Erwachsenen-Ich
Daher ist die Aussage, es mit erwachsenen Menschen zu tun haben zu wollen, richtig klug. Denn aus dem Erwachsenen-Ich heraus ist der Mensch bereit, nach Lösungen zu suchen und eine Win-win-Situation herzustellen. Er ist kooperativer und kommuniziert auf Augenhöhe. Er ist konfliktfähiger und in der Lage, auch in schwierigen Situationen das Gespräch zu suchen.
So können im Dialog auf der Erwachsenen-Ebene neue Wege gefunden werden, die eine fruchtbare Zusammenarbeit ausmachen. Also für alle Seiten ein Klima, in dem Arbeit produktiv ist und Spaß machen kann.
Im Grunde kennen das alle Menschen. Wenn sie sich als selbstwirksam erleben, und das ist das Gefühl, wenn man aus dem Erwachsenen-Ich heraus handelt, geht die Arbeit leichter von der Hand. Man fühlt sich wohl und ist kreativer und eher bereit, engagiert zu arbeiten.
Letzteres ist dann wieder ein Wirtschaftsfaktor für die Unternehmen, weil damit ein höherer Wert in der Arbeit geschaffen wird.
Coaching trägt zum Umsatz bei
Das Mittel der Wahl, Menschen zu helfen, möglichst aus dem Erwachsenen-Ich heraus zu agieren und ihre Selbstwirksamkeit zu erhöhen, ist Coaching. Coaching bietet den Reflexionsraum für Mitarbeitende und Führungskräfte, z. B. die eigenen Kommunikationsstrukturen zu untersuchen und zu verändern.
Die anschauliche Transaktionsaktionsanalyse hilft konkrete Beispiele aus dem Arbeitsalltag besser zu verstehen und das Verhalten im Gespräch zu optimieren. So können Missverständnisse und fruchtlose, zeit- und ressourcenverschlingende Diskussionen vermieden werden.
Aus dem Erwachsenen-Ich heraus zu handeln erhöht am Ende die Produktivität, weil die inneren Blockaden im wahrsten Sinne des Wortes weniger im Weg stehen.
Nicht zuletzt ist das Angebot von Coaching ein Argument von Mitarbeitenden, sich in einer Firma zu bewerben und ihr die Treue zu halten. In Zeiten von Expert:innenmangel ist dies ein echter Mehrwert und trägt zum Personal Branding bei. Das kannst du auch in dem unterstehenden Artikel, in dem ich auch interviewt wurde, aus dem Mund des Geschäftsführers nachlesen.
Meine Coachees empfinden es als stabilisierend, dass ich Diplom-Psychologin bin. Meine Profession bietet für sie eine gute Basis für das Coaching, weil damit tiefere Prozesse angestoßen werden können, die am Ende die Lebensqualität und Resilienz nicht nur im Arbeitsprozess, sondern auch im Privatleben erhöhen.
Deutsche Start-Up’s – lies den Artikel mit den Interviews
Spannend fand ich, dass der Geschäftsführer, die Mitarbeitenden und ich als einer der Coaches interviewt worden bin, was Coaching in der Praxis bedeutet und welche positiven Auswirkungen es hat. Der Artikel kann fast als ein 360 Grad-Feedback verstanden werden. Perfekt finde ich auch, dass der Geschäftsführer die Erkenntnisse aus den Coachings auf der Metaebene zusammenführt, um dann die Organisationsentwicklung entsprechend voranzutreiben.