Eine Kundin schickte mir den Screenshot der IBB Webseite, auf der sie den Antrag auf finanzielle Unterstützung in Zeiten von C. stellen wollte. Sie war in der Warteschlange auf Platz 2861. Ob die Investitionsbank mit diesem Andrang gerechnet hatte, sei dahin gestellt. Klar ist, das sich wohl jeder ein Stück vom Kuchen holen wollte.
Und genau da fängt mein Ärger an. Soweit ich verstanden habe, stellt der Staat Gelder für Unternehmer und Selbständige zur Verfügung, wenn sie durch Corona in eine NOTLAGE geraten sind.
Das passiert sicher auch bei vielen Menschen und genau für diese ist die Unterstützung ja auch gedacht. Und ich gebe zu, ich habe auch gedacht: „Wie cool ist das denn, da kann man mal eben als Soloselbständiger 2500 – 9000 Euro kriegen. Klar hätte ich auch gern das Geld. Wer würde da nein sagen.
Und dann hörte ich die Geschichten von Menschen, die durchaus als wohlhabend zu bezeichnen waren, die dennoch die Hilfen beantragten, weil sie nicht bereit waren, ihre Rücklagen, die aus Gewinnen entstanden waren, zu nutzen.
Dabei steht in jeden Lehrbuch für Unternehmer, das man Rücklagen bilden soll, die einen mindestens 3-4 Monate über Wasser halten. Wenn jeder Unternehmer und Selbstständige das beherzigt hätte und nun sein Geld in die Hand nehmen würde, das ihnen ja gerade in der Not helfen soll, wäre vermutlich der Andrang nicht so groß.
Nun haben sich einige große Firmen auch nicht mit Ruhm bekleckert, als sie kundtaten, sie würden die Mietzahlungen für ihre Ladengeschäfte nicht leisten. Das finde ich unethisch.
Über die Firmen wurde in den Medien berichtet, dass sie den stärksten Umsatz im letzten Jahr hatten. Sie privatisieren die Gewinne, die Kosten werden aber auf die Gemeinschaft umgelegt. Ich finde das unfair.
Und was die Großen machen, machen die Kleinen auch, die, obwohl sie womöglich noch Rücklagen gebildet haben haben, sich lieber Geld von der Gemeinschaft holen. Die Folgen für die Volkswirtschaft baden dann alle wieder aus.
Ich habe von Geschichten gehört, wo Menschen für jedes einzelne Familienmitglied die Förderung beantragt haben, auch wenn sie im gleichen Haushalt leben. Ich höre von Selbständigen und Unternehmern, bei denen ich weiß, das Geld im Hintergrund vorhanden ist, dass sie es für selbstverständlich halten, die Hilfe zu beantragen. Eine Notlage sieht für mich anders aus.
Vielleicht ist der Antrag auf Zuschuss für einige auch eine Trotzreaktion, da der Staat verfügt hat, den shut down zu machen, um die Bürger zu schützen. Das man dann das Gefühl hat, er solle den Schaden dann auch ausgleichen, kann ich verstehen. Und wie gesagt, ich kenne viele Unternehmer, denen ich von Herzen wünsche, dass sie den nötigen Zuschuss bekommen, damit sie die Krise wirtschaftlich überleben. Auch das kommt dann wieder allen zugute. Nicht umsonst gibt es die vielen Solidaraktionen, Gutscheine zu kaufen, Geld zu überweisen, um das hinterher abzuessen etc..
Ich habe, wie gesagt, auch darüber nachgedacht, Gelder zu beantragen. Gerade in den ersten Tagen, als auch meine Angst so hochkochte, was C. alles für uns bedeuten würde. Und ich kann es nicht tun. Ich kann es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, zu sagen, ich hätte gerade kein Geld. Klar habe ich auch eine Delle in meinem Umsatz, weil einige Firmen meine Aufträge absagen. Das fühlt sich nicht schön an, ganz sicher nicht.
Aber vielleicht ist es ja gerade wirklich so, wie eine Kollegin sagte: „Die Unternehmen, die vor C. in der Krise waren, sind es jetzt sicher auch.“
Aber ich gehe es anders an. Ich verlasse mich auf das, was ich vorher schon getan habe: Auf mein unternehmerisches Handeln.
Als Unternehmerin und suche ich nach Möglichkeiten und Gestaltungsräumen. Ich investiere, baue meine Expertise aus, räume mein Unternehmen auf, nutze die Zeit, mein Buch über die Wirtschaft von morgen zu schreiben. Ich habe einen Pop Up Store aufgebaut, in dem ich psychologische Beratung anbiete – meine alte Expertise als Gestalt- und Traumatherapeutin. Ich bin richtig gut ausgebildet darin, Menschen in Krisen zu begleiten. Der Store wird, wie alle Pop Up Stores, auch wieder von meiner Webseite verschwinden.
Und, was ich noch tue: Ich akquiriere neue Kunden.
Ich könnte nicht guten Gewissens den Antrag stellen. Und wie ich hörte, ist das Geld der lokalen Mittel z.B. für Berlin schon aufgebraucht. Ich denke, der ein oder andere wird sich noch wundern, wenn rückwirkend geprüft wird, ob wirklich eine Notlage vorlag.
Und das noch ganz zum Schluß. Welche Haltung hast du? Kommst du aus dem Mangel- oder Füllebewusstsein? Aus dem Mangelbewusstsein heraus soll, psychologisch gesehen, jemand anderes Abhilfe schaffen. In der Wirtschaftskrise 2008 sind unter anderem Uber, DoTerra und WhatsApp gegründet worden. Sie entstanden aus einem Füllebewusstsein, das von Kreativität, Mut und unternehmerisches Handeln gekennzeichnet ist.
Ich bin ganz deiner Meinung. Wir werden den Antrag (vorerst) auch nicht stellen. Wir haben Rücklagen und haben auf unserer Ausgabenseite einiges in Bewegung gesetzt. Klar, das sind dann auch teilweise unangenehme Einschnitte, aber ganz ehrlich: ich kann es moralisch nicht vertreten, das Geld zu beantragen, wenn ich es nicht unbedingt brauche. Es macht mich wütend, wenn ich diese Selbstbedienungsmentalität sehe. Und, ganz ehrlich, ich zweifle dann an der unternehmerischen Eignung von so manchen Leuten in meinem Umfeld. Eine gute Lösung wäre in meinen Augen ein bedingungsloses Grundeinkommen, vielleicht zunächst einmal befristet auf 2020. So müssten Unternehmer im Best Case ihre Mitarbeiter nicht entlassen weil die Mitarbeiter genug Geld zum Leben hätten durch das Grundeinkommen. Aber die derzeitige Lösung finde ich unwürdig und öffnet Egoisten Tür und Tor zum Missbrauch.
Ich denke, Kreativität und Verantwortung ist gefragt. Persönlich, familiär und gesellschaftlich. Und ja, der DM Gründer Götz Werner soll ja mal durchgerechnet haben, dass es mit dem Grundeinkommen möglich wäre.
Bei diesem Thema kann ich so richtig abgehen. Habe ca. 30 Anträge für meine Kunden mitbegleitet und formuliert. Und ALLE waren berechtigt, weil einfach alles zusammengebrochen ist und die Kosten einfach weitergelaufen sind. Bei einigen haben wir haarklein die betrieblichen Kosten addiert und 1.180 EUR je Monat (hier in BW) dazuaddiert. Thats it! Und dann – sehe ich, dass Unternehmen, die hunderttausende verdienen und gleiche Beträge auf dem Konto haben die Soforthilfe beantragt haben – und sofort bekommen haben. Und kein schlechtes Gewissen haben. Ich habe sie nicht beantragt. Ich bin vielleicht einer der „Gewinner“, auch wenn ich mich nicht so fühle. Auf jeden Fall kann ich vielen helfen, etwas weniger schwer durch die Krise zu kommen. Und dafür bin ich dankbar. Und mit meine Kosten mit bisschen Büromiete, meinem 10 Jahre alten Auto und dem Handy als drittteuerstem Kostenblock wäre ich ohnehin durchs Raster gefallen. Aber gelernt habe ich wieder mal, dass sich in der Krise der wahr Charakter zeigt. Ihr sollt Euch schämen, die Ihr die Soforthilfe aus purer Bereicherungsabsicht beantragt habt.